
Richtiges Lüften und gesunder Menschenverstand
Der Weg in die kalte Jahreszeit zwingt uns, unser Leben in Räumen in Zeiten von Virusinfektionen zu gestalten. Vorneweg gilt es, aufgrund von Corona Abstandsregeln einzuhalten, unterstützt durch Mund-Nasen-Schutz und möglichst viel Außenluft, um die Konzentration schädlicher Aerosole so weit wie möglich zu senken. Wie gelingt während der Corona-Pandemie und besonders jetzt in der kalten Jahreszeit richtiges Lüften, ohne dass Räume und Gebäude drohen auszukühlen.
Interview mit Andreas Stehling, Geschäftsführer bei CANZLER und Fachbereichsleiter Technische Ausrüstung für die Gewerke Sanitär-, Medien- und Feuerlöschtechnik, Heizungs-, Lüftungs- und Kältetechnik.
Was hat Außenluft mit Lüften zu tun?
Das Thema Außenluft wird gleichgesetzt mit „ausreichendem“ Lüften. Hierbei geht es besonders um Schulen, wo der Betrieb unbedingt aufrechterhalten werden soll, wie es Politik und Kultusminister fordern. Wie das funktionieren kann und umzusetzen ist, haben sie für den Schulbeginn nach den Herbstferien festgelegt. Die letzte Vorgabe lautet: Alle 20 Minuten Stoßlüften, Querlüften, wo immer es möglich ist, und Lüften während der gesamten Pausendauer.
Was folgt daraus?
Wenn wir unseren gesunden Menschenverstand anwenden, müssen wir erkennen, dass keine Heizung in Deutschland in Gebäuden, in denen sich Menschen aufhalten, leben und arbeiten, für solche Zustände geplant und gebaut wurde. Unsere Gebäude und wie hier unsere Schulen werden keine Behaglichkeit mehr hergeben. Die Räume kühlen aus. Offene Fenster sorgen für Zug und lassen jedes Wetter wie Regen und Wind in die Räume. Erkältungskrankheiten in der Schüler- und Lehrerschaft dürften sich häufen.
Wie könnte das verhindert werden?
Richtiges Lüften muss vor allem wetter- und außentemperaturabhängig individuell überlegt werden. Je kälter draußen, umso schneller der Luftaustausch. Das kann zum Beispiel für das Stoßlüften bedeuten, Fenster ganz zu öffnen und dazu immer auch gegenüberliegende Fenster oder Türen. Je nach Außentemperatur merken wir schnell, dass der Luftaustausch bereits nach einer Minute stattgefunden hat, also sind Fenster und Türen wieder zu schließen. Diese kurze Zeit bedeutet Luftaustausch, aber nicht Auskühlen der Räume durch Auskühlen der Wände.
Warum ist Dauerlüften in den Pausen nicht sinnvoll?
Lüften während der gesamten Pausendauer sollte nicht erfolgen, da anschließend und in Abhängigkeit der Außentemperaturen die Klassenräume nicht mehr für einen annähernd geordneten Unterricht genutzt werden können. Der Mensch fühlt sich wohl in einer behaglichen Umgebung. Eine solche Behaglichkeit kann mit solchem Lüften weder hergestellt noch erhalten werden. Die installierte Heizung wird sicher 20 Minuten und deutlich länger brauchen, um wieder einigermaßen angenehme Temperaturen herzustellen. Aber dann soll ja nach derzeitigen Vorgaben bereits erneut gelüftet werden. Die damit produzierten Heizkosten werden völlig außer Acht gelassen.
Wie lässt sich das auf Büro- und Verwaltungsgebäude übertragen?
In Büro- und Verwaltungsgebäuden gibt es oft sogenannte Fassadengeräte. Das sind diese großvolumigen Blechkisten unter den Fenstern mit Lüftungsgittern; darüber wird geheizt, gegebenenfalls auch gekühlt. Sie werden über Umluft betrieben, damit sie effektiv heizen können. Sind das nun die Virenschleudern? Was ist der Grund des Lüftens? Keiner weiß wirklich, ob es Viren in unserer Umgebung gibt, ob einer der Kollegen sie durch die Gegend pustet. Rein vorsorglich sorgen wir mit Lüften also für eine Luftverdünnung, und das möglichst regelmäßig wiederholend. Auch rein vorsorglich wurden bei den Fassadengeräten die Ventilatoren abgeschaltet, wir wollen ja keine Viren schleudern! Ohne Ventilator ist allerdings der Heizeffekt verschwindend gering.
Wie sieht eine konkrete Empfehlung für Büros aus?
Lüften macht den Raum kalt, die Heizung kommt nicht auf Leistung, da kein Gebläse mitläuft. Plausibel und zu empfehlen wäre kurzes Lüften, wie eben beschrieben, Lüften und quer, also mit gegenüberliegend geöffneten Fenstern. Also kurz und deutlich; wir merken, wenn die Luft getauscht ist. Dann die Fenster wieder schließen und die Fassadengeräte mit Gebläse wie gewohnt laufen lassen. Schließlich bewegen diese frische Luft. Die Wände kühlen dabei nicht aus und die Luft erreicht schnell wieder Raumtemperaturen.